Juli 2020

Ana Agre. Die junge israelische Musikerin stößt in der Nähe ihres Hauses in Frankfurt auf eine Anti-Israel-Demonstration, veranstaltet von der pro-palästinensischen Organisation Samidoun. Sie holt eine kleine Israel-Fahne und stellt sich mit dieser auf den Platz, über den der Demonstrationszug geht. Demonstranten fühlen sich angegriffen. Sie beschimpfen sie. Ein Polizist spricht sie an, nimmt ihre Personalien auf und legt ihr nahe, den Platz zu verlassen, weil ihr Auftritt die jungen Muslime provoziere. Ana diskutiert mit dem Polizisten und wird des Platzes verwiesen. Wenige Tage später erhält sie eine polizeiliche Vorladung wegen „Beleidigung gemäß Paragraph 185 Strafgesetzbuch“ für den 7. Oktober 2020. Ana Agre droht also „Verfolgung“, weil sie in Frankfurt eine Israel-Fahne gezeigt hat. Der Fall wird bei Achgut geschildert.

Karl Anton Koenigs. Der Fotograf stellt im Kulturrestaurant Savanne in Lich Portraits aus, darunter auch eines von Thilo Sarrazin. Eine Besucherin empört sich. Ein Foto von Sarrazin dürfe nicht in einem afrikanischen Restaurant hängen. Koenigs will der Forderung, das Bild abzuhängen, nicht nachkommen. Er bietet ihr an: „Dann nehmen Sie einen Edding und werden Sie aktiv.“ Die Frau schreibt unter Thilo Sarrazins Foto „Rassist“. Zwei Tage später kommt sie wieder, um Sarrazin zwei Hakenkreuzaugen zu verpassen. „Das hat mich erstaunt“, sagt Koenigs. „Jetzt hängen hier zwei Hakenkreuze in einem afrikanischen Restaurant. Ist das nun besser?“, berichtet die Gießener Allgemeine. Aufgrund des SarrazinFotos lehnt auch eine heimische Buchhandlung ab, den Bildband zu vertreiben.

Michale Graves. Der US-amerikanische Sänger teilt laut Berichten von u.a. Morecore.de fragwürdige Bilder u.a. mit der „White Power“-Geste via Instagram und postet u.a.: „Ich bin ein stolzer westlicher Chauvinist und weigere mich, mich dafür zu entschuldigen, dass ich die moderne Welt mit aufgebaut habe.“ Der deutsche Veranstalter Beer & Music sagt alle Auftritte in Deutschland ab und und teilt mit: „Leider hat sich Michale Graves mit seinen aktuellen Social Media-Statements endgültig ins braune Abseits katapultiert. Alle von uns gebuchten Deutschland-Shows sagen wir aus diesen Gründen ab. Das betrifft die Konzerte in Hamburg, Berlin, Essen, Weinheim, Stuttgart, Freiburg, Köln und Osnabrück.“

Dieter Nuhr. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) veröffentlicht im Rahmen ihrer Kampagne „Für das Wissen“ ein Statement des Kabarettisten Dieter Nuhr. Es folgt die zu erwartende Empörung, weil Dieter Nuhr sich zuvor durch milde Kritik an der Fridays for Future Bewegung unbeliebt gemacht hat. Die DFG löscht den Beitrag. Sie erntet auch hierfür Kritik. Sie bietet dann Nuhr an, den Beitrag mit „ergänzender Kommentierung“ wieder aufzunehmen. Dieter Nuhr lehnt ab mit der Begründung „Was soll das denn? Alle anderen sagen frei ihre Meinung und meine wird mit einer Warnung versehen wie eine Zigarettenpackung.“ Daraufhin stellte die DFG den Beitrag schließlich doch wieder online und schreibt: „Die DFG bedauert es ausdrücklich, das Statement von Dieter Nuhr vorschnell von der Internetseite der Online-Aktion #fürdasWissen heruntergenommen zu haben. (…) Auch wenn seine Pointiertheit als Satiriker für manchen irritierend sein mag, so ist gerade eine Institution wie die DFG der Freiheit des Denkens auf Basis der Aufklärung verpflichtet.“

Dieter Graf. Ein Video zeigt, wie Dieter Graf, der Vorsitzenden der Ravensburger Rutenfestkommission, den bekannten Corona-Kritikern Dr. Bodo Schiffmann und Dr. Daniel Langhans das Rutenfest erläutert und sein Bedauern zum Ausdruck bringt, dass es nicht stattfinden kann. Beim Rutenfest handelt es sich um von dem gemeinnützigen Verein organisierte 5-tägige Feierlichkeiten, bei denen u.a. rund 7000 Schüler mitwirken und in einem großen Festzug die Ravensburger Stadtgeschichte darstellen. Es war zuvor seit 1645 nur vier Mal ausgefallen. Graf wird von der „Schwäbischen Zeitung“ („Entsetzen in Ravensburg“) und der SPD zum Rücktritt aufgefordert. Sozialminister Manfred Lucha, der auch Ravensburger Grünen-Abgeordneter ist, verdächtigt ihn, sich „an Rechtsradikale ran zu wanzen“. Das Wochenblatt berichtet, Dieter Graf sorge „durch seinen gemeinsamen Auftritt mit den beiden Coronaleugnern Bodo Schiffmann und Daniel Langhans für Entsetzen und Aufregung bei den Ravensburgern“. Die Ravensburger Landtagsabgeordneten Minister Manne Lucha und August Schuler distanzierten sich von ihm. In den sozialen Medien wird Graf beschimpft und bedroht.

Jon Rafman. Der Kunstverein Hannover verschiebt die Ausstellung des kanadischen Künstlers, nachdem drei Frauen auf Instagram von ihren einige Jahre zurückliegenden Affären zu dem heute 38-Jährigen berichtet haben, wobei sie Rafman vorwerfen, manipulativ gewesen zu sein, aggressiven und ungeschützen Sex mit ihnen gehabt zu haben und seine Macht als bekannter Künstler missbraucht zu haben. Auch andere Museen in den USA und Kanada sagen Ausstellungen ab bzw. beenden sie. Die Galerie Bradley Ertaskiran in Montreal, die Rafman vertritt, hat alle Hinweise auf ihn und seine Kunst von der Website entfernt.

Ukvali und Beatus. Die beiden Rapper sollen auf dem „Freedom Jam“, einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen auftreten. Sie werden ausgeladen, weil die Veranstaltung sonst nicht genehmigt werden würde, da die „Fachstelle für Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit“ der Stadt München vor „jugendgefährdenden Inhalten“ warnte. Es wird darauf verwiesen, dass Ukvali ein Video mit Chris Ares veröffentlicht habe, der vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird. Beiden wird außerdem Antisemitismus vorgeworfen.

Manuel Neuer. Im Urlaub singt der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und des FC Bayern Manuel Neuer in einer Strandbar ein Lied der Band Thompson aus Kroatien mit, der Verherrlichung des kroatischen Faschismus vorgeworfen wird. Das LIGABlatt fragt „Skandal-Video von Manuel Neuer: Müssen die Bayern reagieren?“ Das Management des Torwarts verweist darauf, dass er die Sprache nicht beherrsche. Der Song wird von vielen Kroaten offenbar als beliebtes Volkslied, als bisweilen leicht kitschige Liebeserklärung an das Land eingestuft. Seit 2016 ist es auch das offizielle Lied der Nationalelf, das immer bei Spielen gespielt wird. Die Welt merkt an, dass das Lied auch gespielt wurde, als die Bundeskanzlerin vor der Europawahl im vergangenen Jahr in Zagreb zu Besuch war. Angela Merkel klatschte arglos mit. Der „Vorfall“ hat für Neuer keine unmittelbaren Konsequenzen.

Marcel Bohnert. Das ARD-Magazin Panorama unterstellt Oberstleutnant Marcel Bohnert, der bei der Bundeswehr für Social Media zuständig ist, das Sympathisieren mit Rechtsextremen. Die Journalisten können jedoch keine einzige Äußerung Bohnerts anführen, mit der dies begründet werden könnte, lediglich einige wenige Likes bei Instagram und die Tatsache, dass Bohnert in der Vergangenheit bei einer Burschenschaft und einem Thinktank Vorträge gehalten hat. In den sozialen Medien stimmen viele in die Emörung ein. Die Bundeswehr leitet ein dienstrechtliches Verfahren ein und entbindet Bohnert vorläufig von seinen Aufgaben. In einer Stellungnahme erläutert Panorama ausführlich, dass jedes einzelne Like unter einen Post eine Sympathiebekundung darstelle und einen somit zum Sympathisanten des Absenders mache, auch wenn man diesen vielleicht gar nicht kennt. Im konkreten Fall soll so ein Post die Formulierung „Defend Europe“ enthalten haben, was eine Parole der Identitären Bewegung sei. Benjamin Strasser, FDP-Obmann im Innenausschuss des Bundestages, fordert die Entlassung Bohnerts. Aus Sicht von Panorama ist jeder Kontakt zu einer Person, die als rechts gilt oder wiederum Kontakte zu „rechten“ Personen hat, ein Vergehen. Nachdem Bohnert einen Kontakt einräumt, schreibt die Redaktion: „Da Oberstleutnant Bohnert die vorgehaltenen Kontakte mittlerweile eingeräumt hat, handelt es sich technisch nicht mehr um Verdachtsberichterstattung.“ (Man hat dennoch darauf verzichtet, ihn gleich abführen zu lassen.)

Rainer Daus. Der Autor veröffentlicht den 1-Akter „Der tiefe Fall des Wolfram Harth“, in dem er das Problem der Cancel Culture thematisiert. Er bezieht sich darin auf die eigenen Erfahrungen aus dem Herbst 2019, als sein Gedichtband „Die Jungfrau aus dem Norden“ erschien. In der Presse wurde ihm damals eine Diffamierung der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg unterstellt und vorgeworfen, „Frauenfiguren in einen sexualisierten Kontext“ zu zwängen. In der Folge legte Daus sein Amt als Beisitzer im Vorstand der Wittgensteiner Kunstgesellschaft nieder, um dem Kunstverein nicht zu schaden. Verschiedene Künstlerinnen drohten damit, eine bevorstehende Gemeinschaftsausstellung boykottieren zu wollen, wenn Daus – wie zunächst geplant – die Einführungsrede halten sollte. Heimische Gymnasien lehnten eine vom Autor angebotene Lesung ab und die Stadtbücherei Bad Berleburg wies die Schenkung eines Exemplars der „Jungfrau aus dem Norden“ mit der Begründung zurück, dass die Stadtbücherei einen Bildungsauftrag zu erfüllen habe, „speziell auch für Kinder und junge Erwachsene (…), der mit Ihren im Gedicht verarbeitenden Ansichten nicht in Einklang zu bringen ist“, berichtet das Kulturhandbuch für den Kreis Siegen-Wittgenstein.

Farid Bang. Die Stadt Düsseldorf löscht ein Video mit dem Rapper Farid Bang von all ihren Kanälen. Das Video war von dem Bürgermeister der Stadt Thomas Geisel (SPD) in Auftrag gegeben worden, um für die Corona-Abstandsregeln zu werben. Weil der Rapper wegen frauenfeindlicher sowie antisemitischer Äußerungen in der Kritik stand, löste der Auftrag einen Sturm der Entrüstung aus. Dem WDR sagte Geisel, es sei ihm bewusst, dass der Rapper eine höchst kontroverse Figur sei. Er habe deswegen mit ihm insbesondere über das Thema Antisemitismus gesprochen: „Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass er diese Sache nun wirklich aufrichtig bereut“. Trotzdem wurde das Video Ende Juli gelöscht.

Donaulied. Das Volkslied aus dem 19. Jahrhundert darf in Bierzelten in Montabaur nicht mehr gespielt werden. In einer Textfassung heißt es u.a.: „Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholalala“ oder „Mein Mädchen, mein Mädchen, was regst du dich auf, Ohohoholalala, Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala“. Das Volkslied wird im süddeutschen Raum mindestens seit den 1970er Jahren auf Festen gesungen und findet sich seit mindestens 2013 in den gängigen Samplern und Notenbüchern der so genannten „Wies’n-Hits“, die in den Bierzelten des Münchner Oktoberfestes großen Anklang finden und entsprechend oft und nicht nur auf dem Oktoberfest, sondern auch auf anderen Bierzeltveranstaltungen gespielt wurden. (allerdings oft mit entschärfte Textfassungen ohne Vergewaltigung.) Eine Passauer Studentin hatte eine Online-Petition für das Verbot gestartet. Montabaurs Bürgermeisterin sagt der Deutschen Presse-Agentur: „Auf Initiative eines Stadtratsmitglieds haben wir beschlossen, dass wir bei Vertragsabschluss mit Bands vereinbaren, dass sie das Donaulied nicht spielen.“ Weitere Städte werden folgen. Quelle: F.A.Z.

3 Kommentare zu „Juli 2020

  1. Was für ein Witz.
    Die angebliche WP Geste war eine Troll Aktion.Man wollte sehen wie viele Idioten es glauben.Der Witz dabei ist ja das es eine alltägliche GEste ist.

    EIne andere Trollaktion war Linken Weibern zu erzählen das sie während der Tage keine Tampons etc brauchen und es einfach laufen lassen sollen-UND SIE MACHTEN ES!

    Übrigens kann jeder selber googeln was für Konzerte B&M schon organisiert hat.Aber ein Altpunk darf nicht mehr provozieren…

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